Dialogue poétique

Angela Glajcar: Skulptur
Rémy Trevisan: Malerei
Ausstellung im Forum d'Art Franco-Allemand, Château de Vaudrémont
17. Mai bis zum 17. August 2008

In dieser Ausstellung begegnen sich Angela Glajcar und Rémy Trevisan, eine deutsche Plastikerin und ein französischer Maler, die als künstlerische Persönlichkeiten so verschieden wie ihre formalen Mittel sind, jedoch thematische Gemeinsamkeiten aufweisen.

Trevisans Werk fußt auf der Erforschung von Ausdrucksmöglichkeiten ungegenständlicher Formen, wie sie von Wassily Kandinsky und Paul Klee systematisch begonnen, später von Künstlern des Informel wie Wols und Pollock oder des colorfield painting wie Mark Rothko, Ad Reinhard und anderen fortgesetzt wurde. Kandinsky reflektierte "Das Geistige in der Kunst", wie er seine grundlegende theoretische Schrift nannte, und setzte die Inszenierung abstrakter Formen und Farben in der Malerei in Analogie zur Musik. Trevisan betrachtet darüber hinaus den gestalterischen Umgang mit reinen Formen und Farben aus persönlicher Eingebung und Empfindung als parallele Praxis zu philosophischen, existenziellen Fragestellungen nach den Urgründen des Daseins. Diesen Anspruch nachzuvollziehen, setzt beim Betrachter allerdings die Bereitschaft voraus, entgegen der Hektik unserer Zeit eine Langsamkeit des Sehens zu üben, die den Blick zum kontemplativen Schauen vertieft, um in Realisation und Rezeption eines entsprechenden Kunstwerks dem Selbst gleichsam als Spiegel des Universums zu begegnen. "Wo das Ich im Inneren transzendiert wird, öffnet sich der Raum der Unendlichkeit. - Là où le Moi en son centre accède à la transcendance, s'ouvre l'infini." (aus: Joachim Penzel in "Sehen und Schauen - Betrachtungen einiger Gemälde von Rémy Trevisan")

Angela Glajcar äußert sich ähnlich zu ihren Arbeiten: "Ich möchte Räume schaffen, die sich von unserer heutigen Reizüberflutung absetzen". Dazu zitiert sie den amerikanischen Plastiker und Land-Artisten Michael Heizer:
"Es ist interessant, eine Skulptur zu schaffen, die versucht, eine Atmosphäre der Ehrfurcht zu vermitteln.... Ehrfurcht ist ein geistiger Zustand, vergleichbar dem religiösen Erleben....".
Zu einer Installation von Glajcar schreibt Barbara Auer: "Hier ist ein Ort der Ruhe, der Geborgenheit, der Kontemplation entstanden. Fernab von unserer grell bunten, laut schreienden Konsumwelt mit ihren permanenten Reizen und Ablenkungen erleben wir Klarheit, Schönheit und Harmonie. Gefangen von der physischen Präsenz der Skulptur werden unsere Gedanken unversehens auf die zentralen Fragen menschlichen Seins, des Werdens und Vergehens gelenkt."

Trevisan und Glajcar sind besonders auf die räumliche Essenz ihrer Arbeiten bedacht. "Anders als konventionelle Bilder verführen sie (Trevisans Bilder) den Blick nicht in eine kontinuierliche Raumtiefe, sei sie mit realen oder abstrakten Formen ausgestattet. Stattdessen ist man einem raffinierten Spiel der Optik ausgesetzt, bei dem die Verhältnisse zwischen Objekten und Raum, zwischen vorn und hinten, zwischen Greifbarkeit und Tiefe, zwischen Materialität und Immaterialität an jedem Punkt des Bildes umschlagen und in ihr Gegenteil verkehrt werden." (Joachim Penzel)

Anders als der Maler, dessen flächige Gestaltungen Raum lediglich imaginiert, betont Angela Glajcar den Gegensatz von faktischem Licht und Schatten. "Das Licht spielt in zunehmendem Maße beim Material Papier, aber (...) auch beim transluzenten Kunststoff eine entscheidende Rolle. Die Arbeiten strahlen durch ihre Schatten in den umliegenden Raum aus und erfassen ihn. Licht und Schatten lassen ein Farbenspiel auf dem Material und im Raum entstehen." "Ihre Choreographie des Auftritts von Schwarz und Weiß wird (...) bereichert durch ein Lichtkonzept, das den Dialog beider Extreme um Zwischentöne aus weichem Grau ergänzt und das zugleich die schwebenden Körper aus Papier verdoppelt, in dem es ihnen Schatten verleiht..." (Renate Petzinger)

So ungegenständlich die Arbeiten von Glajcar und Trevisan erscheinen, werden doch bei beiden Formen der Natur assoziiert. So beobachtet dieselbe Autorin bei einer Arbeit von Glajcar: "(...) Die Schatten der Risskanten fallen auf die Nachbarbahnen und machen das Innenleben des Kubus lebendig. In einigen Zonen wurden sogar große Löcher in das Papier gerissen. Deren Kanten staffeln sich zu tief in den Kubus reichenden Höhlen, geben überraschende Einblicke und Durchblicke frei. Das Auge des Betrachters begibt sich auf eine Wanderschaft, die über spitze Grate in das Innere tiefer Höhlen führt. Im Kopf entstehen Assoziationen an jahrhundertealte Gletscherformationen oder das Eis der Polkappen, Fragen nach Ewigkeit und Vergänglichkeit klingen an."

Rémy Trevisans Arbeiten (in Acryl- oder Ölfarben auf Leinwand oder Zeichnungen auf Papier in ein- bis mehrschichtigem Farbauftrag) erinnern an Zellgewebe und die filigranen Strukturen von Pflanzen, an Landschaften von großer Weite und an die Unendlichkeit des Kosmos.

Während der Maler kräftige Farbzusammenstellungen bevorzugt, äußert sich Angela Glajcar zum Farbproblem: "(...) Farbe wird in meinen Arbeiten nur durch das Lichtspiel erzeugt. Ein weißes Blatt ist im Licht nie wirklich weiß, es nimmt die Farben der Umgebung auf und leuchtet so durch sein Umfeld". Sie arbeitet sowohl mit Papier als auch mit Kunststoff und nutzt die Biegsamkeit und Transparenz beider Werkstoffe. "Verschiedene Materialien sind immer wieder Anlass, neu über Formensprache und Formgebung nachzudenken und eine ideale Verbindung zwischen dem Material und der Form zu suchen. - Es ist spannend mit 'jungen' Materialien zu arbeiten, die keine lange Tradition in der Bildenden Kunst aufweisen und so eine große Offenheit mitbringen."

Angela Glajcar und Rémy Trevisan treffen sich bei allen Unterschieden schließlich vor allem in der poetischen Intention und auf Leichtigkeit bedachten, gleichsam schwebenden, beinahe tänzerischen Wirkung ihrer Werke.

Text: Klaus Jürgen-Fischer

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